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Geschichte eines Mieterstreiks

In Berlin tobte 1932 ein Mieterstreik. Wie sehr sich der Mieterstreik ausgeweitet hatte, ist nicht bekannt. Doch Ende Oktober 1932 waren allein in der Gegend um den Stettiner Bahnhof 312 Häuser mit 14.615 Mietern im Streik. Anfang 1933 hatte die Streikbewegung ihren Höhepunkt, doch mit der Machtübergabe an Adolf Hitler traten plötzlich ganz andere Verhältnisse in Kraft und die Weiterführung des Streiks wurde verhindert.

Geschichte eines Mieterstreiks:

Eines Morgens um sechs – die Jungens kamen vom Zeitungsaustragen –
Hielt vor der grauen Mietskaserne ein Plattenwagen.
In der Haustüre standen zwei Polizisten und ein Mann vom Gericht,
Die gingen drei Treppen hinauf und klopften. Man öffnete nicht.

Der Schlosser kam und brach auf. Das ganze Treppenhaus roch nach Gas.
Menschen kamen und schnupperten. Sahen sich an. Keiner sagte etwas.
Ein Schupo kam wieder herunter und hustete: »Is was passiert?« –
»Exmittieren wird nicht mehr nötig sein! Sind schon krepiert!«

Die Tage daraufwar es stiller: gedämpfter Zank und Geschrei;
Wenn einer mit dem Verwalter Krach hatte, liefen sie alle herbei.
Und eines Abends brüllte einer durchs ganze Haus:
»Hört mal zu! Morgen früh schmeißen sie im dritten Hof einen raus!«

Am nächsten Morgen waren schon alle Hausflure und Treppen besetzt.
Die Polizisten kamen und der Mann vom Gericht: »Wer hat euch hier aufgehetzt?«
Ein alter Mann trat vor und sagte: »Wollen Sie’s probieren?
Gegen uns alle? Wir lassen hier keinen mehr exmittieren!«

Um neune gingen die Polizisten. Der Wagen fuhr leer wieder weg.
Ein Mann rief hinterher: »Nich wiederkommen! Hat doch keinen Zweck!«
Im Hof stieg einer auf den Müllkasten und sprach: »Das ist euch doch klar,
Mit der Einigkeit ist allerhand zu erreichen, nich wahr?«

Am Tage darauf kamen alle zusammen im Hof Nummer vier.
Und der alte Mann stieg auf den Müllkasten und schwang ein Papier.
»Arbeiter, hier hab ich einen Brief an den Wirt geschrieben. Hört her!
Wir zahlen bloß noch die halbe Miete. Wir können nicht mehr!«

Auf diesen Brief war vom Wirt ein kurzer Bescheid gekommen:
Er verhandle nicht, er hätte gerichtliche Schritte unternommen.
Und wieder versammelten sie sich. »Der kann doch bei uns nicht landen!«
Wir zahlen jetzt überhaupt nicht mehr. Wir streiken! Verstanden?«

Der Hauswirt setzte Gericht und Polizei in Bewegung.
Der Verwalter rannte von Tür zu Tür, rot vor Erregung.
War alles umsonst. Keiner zahlte. Da kam ein Schreiben:
»Mieten um fünfzig Prozent gesenkt. Rückstände nicht mehr einzutreiben!«

Und wieder versammelten sich alle. Da sagte der alte Mann:
»Das war der erste Erfolg. Es kommt nur auf die Einigkeit an!
Und das gilt überall, nicht bloß beim Kampf um Kammer und Küche!
Gegen unsere Geschlossenheit geht jede Macht in die Brüche.«

Erich Weinert, 1932

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